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Telesilla: Dichterin und Kämpferin

„Lasst uns die Zeit mit weiterem Lesen vertreiben“, schlug Hera vor. Katun wollte wissen, ob es in Hellas auch Dichterinnen gab, oder ob nur Männer Verse verfassten. „Ja, es gibt auch Frauen, die solche Lieder schreiben. Gerühmt wird die Sappho von der ionischen Insel Lesbos, auch von einer Telesilla von Argos, einer Polis auf dem Festland drüben, wird gesprochen.“

Quelle: Heraklit von Ephesos, Seite 243

 

Ob sie mit wehendem Haar und entblößten Brüsten ihr Schwert gegen die Spartaner führte, wissen wir nicht. Auch kennen wir nur wenige Bruchstücke ihrer Dichtung. Doch es blieb bis heute ihr Name: Telesilla. Legenden ranken sich um ihr Leben vor rund 2500 Jahren in Argos, einer uralten Stadt auf den griechischen Peloponnes. Und: Man benannte ein Versmaß nach ihr; man errichtete für sie eine Statue; man feierte in ihrem Namen besondere Stadtfeste.

Es muss also eine mehr als bemerkenswerte Frau gewesen sein, die sich in der antiken griechischen Männerwelt behauptete, sodass sogar die berühmten Schriftsteller Pausanias und Plutarch noch weit nach ihrem Tod über sie berichteten.

Zu Telesillas Zeit lieferten sich ihre Heimatstadt Argos und das mächtige Sparta blutige Schlachten, und einmal, so berichten die Chronisten, hätten die ruhmreichen Spartaner das argonische Heer vernichtend geschlagen. Um die Einnahme und Zerstörung der Stadt zu verhindern, habe Telesilla die Alten, Sklaven und Frauen bewaffnet und gegen den Feind aufgestellt. Mag sein, dass sie die Spartiaten im Kampf besiegten. Es könnte auch sein, dass der gegnerische Heeresführer Kleomenes kampflos abzog, weil er gegen Frauen weder kämpfen, noch verlieren wollte.

Diese Version legt ein Bericht von Herodot (Historien Buch 6 Kap. 81ff.) nahe, der sich wie so vieles bei ihm recht schräg liest. Der Geschichtsschreiber der ersten Stunde schreibt: Nach seiner Rückkehr wurde König Kleomenes vorgeworfen, er habe sich bestechen lassen und Argos deshalb nicht erobert. Der Beschuldigte rechtfertigte sich. Er habe im Heiligtum der Göttin Hera geopfert, dabei sei aus der Brust des Kultbildes eine Flamme aufgelodert. Für ihn ein göttliches Zeichen, von der belagerten Stadt abzulassen. Als Zeichen für die Eroberung hätte die Flamme aus dem Kopf des Kultbildes schießen müssen…

Wie dem auch sei, Telesilla jedenfalls wurde weithin gerühmt. Das Versmaß, das sie bei ihren Dichtungen verwendete, benannte man nach ihrem Namen Telesilleion. Vor dem Heiligtum der Aphrodite in Argos wurde ihr eine Statue errichtet. Und ihr zum Andenken trugen die Männer bei einem speziellen Fest Frauenkleider und umgekehrt.

PS: Selbst die ehrwürdige Antike-Enzyklopädie „Der neue Pauly“ widmet Telesilla einige Zeilen. 


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