Von und über Heraklit

Heraklit - Quellen und Literatur

Was genau weiß man über das Leben des Heraklit von Ephesos? Was hat der antike griechische Naturphilosoph selbst geschrieben?

Hier die Antworten.



Über das Leben des Heraklit von Ephesos


Über den realen Menschen Heraklit von Ephesos und sein Leben ist kaum etwas bekannt. Diese wenigen Fakten sind es, die wir aus den aus den Quellen erfahren:


1. "Heraklit stand in der Blüte seiner Jahre um die 69. Olympiade."


2. "Er starb im Alter von 60 Jahren.“


3. „Die von ihm erhaltene Schrift legte er in dem Artemistempel zu Ephesos nieder.“


4. „Er trat an seinen Bruder das Priesterkönigtum ab.“


5. „Denn Heraklit überredete den Tyrannen Melankomas abzudanken.“


6. „Als er von den Ephesiern gebeten wurde, ihnen Gesetze zu geben, lehnte er es ab, weil schon die schlechte Verfassung Macht über die Stadt bekommen hätte.“ 


Quelle: Bruno Snell, „Heraklit Fragmente“



Erklärungen


ad 1. und 2. "Um die 69. Olympiade" bedeutet um das Jahr 500 v. Chr. Wenn Heraklit damals "in der Blüte seiner Jahre" stand, war er also ungefähr 40 Jahre alt - im besten Mannesalter, wie wir heute sagen. Und wenn er "im Alter von 60 Jahren" starb, können wir seine Lebenszeit auf ca. 540 - 480 v. Chr. datieren. 

ad 3. Zur Niederlegung seiner Schrift im Artemistempel seiner Heimatstadt Ephesos an der kleinasiatischen Küste siehe nächsten Abschnitt. 

ad 4. Daraus, dass Heraklit das Priesterkönigtum an seinen Bruder abtrat, können wir folgendes schließen: Heraklits Vater, der wohl den Namen Bloson trug, hatte das höchste Amt in dem Stadtstaat Ephesos in der Region Ionien inne. Das legt den Schluss nahe, dass Heraklits aristokratisches Geschlecht zu den Gründerfamilien der athenischen Kolonie gehörte, diese Stadtgründung vielleicht sogar anführte. Weil Heraklit der der Erbtitel zustand, war er der  Erstgeborene und hatte einen jüngeren Bruder, der das Amt wohl statt ihm vom Vater übernahm. Und: Heraklit selbst scheint wohl mit der Familie und/oder mit der mythologischen Götterwelt seiner Vorfahren gebrochen zu haben. 

ad 5. Wir dürfen davon ausgehen, dass Melankomas ein von der persischen Oberherrschaft in der Polis Ephesos eingesetzter, sogenannter Vasallentyrann war, der die Politik der Stadt in Loyalität zum persischen Großkönig führte. Wenn Heraklit das politische-gesellschaftliche Gewicht hatte, den Tyrannen zum Abdanken zu bewegen, muss er ebenfalls der standesgemäßen politischen Elite von Ephesos angehört haben.

ad 6.  In den politischen Wirren um das Jahr 500 v. Chr. - es ist die Zeit der beginnenden Demokratisierung der griechischen Stadtstaatenkultur und der mit dem Ionischen Aufstand aufflammenden Perserkriegen - bat man den gestandenen Politiker Heraklit offenbar, dem Stadtstadt eine neue, brauchbare Verfassung zu geben. Als traditioneller, vielleicht reaktionärer Aristokrat lehnte er ab. Wohl war ihm die politische Entwicklung bereits zu weit Fortgeschritten. Sprich, in seinen Augen hatte sich "das gemeine Volk" bereits zu viel Macht erstritten, sodass man zu diesem Zeitpunkt in Ephesos das Rad nicht mehr  zurückdrehen konnte.

Diesen historischen Gegebenheiten und legitimen Folgerungen wird der historisch-biographische Roman "Heraklit von Ephesos - Das Sterben der Götter" gerecht.



Über das Werk des Heraklit von  Ephesos


Leider wissen wir auch über das Originalwerk des großen Naturphilosophen nur wenig. Die wirklich schlechte Nachricht lautet: Die Schriften des Heraklit gelten als komplett verschollen.  Die gute Nachricht: Nach ihm lebende Gelehrte wie Diogenes Laertios oder die Philosophen Platon und Aristoteles schrieben Kernaussagen des Heraklit für die Nachwelt nieder; wohl nicht als wörtliche Zitate, aber immerhin sinngemäß. All diese Bruchstücke trug der deutsche Altphilologe in mühsamer Kleinarbeit zusammen und veröffentlichte sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Form von 137 sogenannten Fragmenten des Heraklit. Neuere Forschungen stellen allerdings die Authentizität eines Teils dieser Fragmente in Frage.

Seine ursprüngliche Schrift legte Heraklit laut Überlieferung im Artemistempel seiner Heimatstadt Ephesos nieder. Das entsprach in der antiken Zeit einer heutigen Veröffentlichung in Buchform durch einen Verlag.

Entsprechend der damaligen Gepflogenheiten trug diese Schrift keinen Titel. Erst später versah man des Werk mit der Überschrift "Über die Natur." Diverse Theorien über inhaltlich unterschiedliche Teile und deren Umfänge basieren auf vagen Annahmen.




 

Die Fragmente des Heraklit von Ephesos


 


Über andere


39. In Priene lebte Bias des Teutames Sohn, dessen Ruf [Geltung] größer ist als der der andern.

 

40. Vielwisserei lehrt nicht Verstand haben. Sonst hätte es den Hesiod belehrt und Pythagoras, ferner auch Xenophanes und Hekataios.


38. Thales [war nach einigen der] erste Astronom. [Das bezeugt auch Heraklit und Demokrit.]


42. Homer verdiente aus den Preiswettkämpfen verwiesen und mit Ruten gestrichen zu werden und ebenso Archilochos.


56. Die Menschen lassen sich über die Kenntnis der sichtbaren Dinge ähnlich zum Besten halten wie Homer, der doch weiser war als die Hellenen allesamt. Ihn foppten nämlich Jungen, die der Läusejagd oblagen, indem sie ihm zuriefen: alles was wir gesehen und gegriffen, lassen wir da; was wir aber nicht gesehen und nicht gegriffen, das bringen wir mit,


57. Lehrer aber der meisten ist Hesiod. Sie sind überzeugt, er weiß am meisten, er der doch Tag und Nacht nicht kannte. Ist ja doch eins!



Über Politik/Krieg


33. Gesetz heißt auch dem Willen eines einzigen folgen.


24. Im Kriege Gefallene ehren Götter und Menschen.


25. Größerer Tod empfängt größere Belohnung.


43. Frevelmut soll man eher löschen als Feuersbrunst.


44. Das Volk soll kämpfen um sein Gesetz wie um seine Mauer.


47. Urteilen wir nicht vorschnell über die wichtigsten Dinge ab!



Über das Leben


4. Bestände das Glück in körperlichen Lustgefühlen, so müsste man die Ochsen glücklich nennen, wenn sie Erbsen zu fressen finden.


20. Wann sie geboren sind, schicken sie sich an zu leben und dadurch den Tod zu erleiden, oder vielmehr auszuruhen, und sie hinterlassen Kinder, dass auch sie den Tod erleide



Über die Menschen


2. Drum ist's Pflicht dem Gemeinsamen zu folgen. Aber obschon das Wort [Weltgesetz] allen gemein ist, leben die meisten doch so, als ob sie eine eigene Einsicht hätten.


5. Reinigung von Blutschuld suchen sie vergeblich, indem sie sich mit Blut besudeln, wie wenn einer der in Kot getreten, sich mit Kot abwaschen wollte. Für wahnsinnig würde ihn doch halten, wer etwa von den Leuten ihn bei solchem Treiben bemerkte. Und sie beten auch zu diesen Götterbildern, wie wenn einer mit Gebäuden Zwiesprache pflegen wollte. Sie kennen eben die Götter und Heroen nicht nach ihrem wahren Wesen.


19. Leute, die weder zu hören noch zu reden verstehen.


29. Eins gibt es, was die Besten allem anderen vorziehen: den ewigen Ruhm den vergänglichen Dingen. Die Meisten freilich liegen da vollgefressen wie das liebe Vieh.


49. Einer gilt mir zehntausend, falls er der Beste ist.


61. Meerwasser ist das reinste und scheußlichste: für Fische trinkbar und lebenserhaltend, für Menschen untrinkbar und tödlich.



Über Erkenntnis


1. Für dies Wort [Weltgesetz] aber, ob es gleich ewig ist, gewinnen die Menschen kein Verständnis, weder ehe sie es vernommen noch sobald sie es vernommen. Alles geschieht nach diesem Wort, und doch gebärden sie sich wie Unerprobte, so oft sie es probieren mit solchen Worten und Werken, wie ich sie künde, ein jegliches nach seiner Natur zerlegend und deutend, wie sich's damit verhält. Die anderen Menschen wissen freilich nicht, was sie im Wachen tun, wie sie ja auch vergessen, was sie im Schlafe [tun].


17. Denn viele hegen nicht solche Gedanken, so viele auch darauf stoßen, noch verstehen sie, wenn man sie belehrt; aber sie bilden es sich ein.


28. Denn was der Glaubwürdigste erkennt, festhält, ist nur Glaubliches. Aber freilich die Lügenschmiede und ihre Eideshelfer wird doch auch Dike zu fassen wissen.


34. Sie verstehen es nicht, auch wenn sie es vernommen. So sind sie wie Taube. Das Sprichwort bezeugt's ihnen: Anwesend sind sie abwesend.


104. Denn was ist ihr Sinn oder Verstand? Straßensängern glauben sie und zum Lehrer haben sie den Pöbel. Denn sie wissen nicht, dass die meisten schlecht und nur wenige gut sind.


35. Gar vieler Dinge kundig müssen weisheitsliebende Männer sein.


41. In Einem besteht die Weisheit, die Vernunft zu erkennen, als welche alles und jedes zu lenken weiß.


55. Alles, was man sehen, hören und lernen kann, das ziehe ich vor.


78. Denn des Menschen Sinn hat keine Einsichten, wohl aber der göttliche.


79. Kindisch heißt der Mann der Gottheit wie der Knabe dem Manne.


86. [Die Kenntnis des Göttlichen] entzieht sich [größtenteils] dem Verständnis, weil man nicht daran glaubt.


107. Schlimme Zeugen sind Augen und Ohren den Menschen, sofern sie Barbarenseelen haben.


113. Gemeinsam ist allen das Denken.


116. Allen Menschen ist es gegeben sich selbst zu erkennen und klug zu sein.


123. Die Natur liebt es sich zu verstecken.



Über die Natur/Philosophie


30. Diese Weltordnung, dieselbige für alle Wesen, hat kein Gott und kein Mensch geschaffen, sondern sie war immerdar und ist und wird sein ewig lebendiges Feuer, nach Maßen erglimmend und nach Maßen erlöschend.


27. Der Menschen wartet nach dem Tode, was sie nicht erwarten oder wähnen.



Über Gegensätze und Harmonie


8. Das auseinander Strebende vereinigt sich und aus den verschiedenen [Tönen] entsteht die schönste Harmonie und alles entsteht durch den Streit.


10. Auch die Natur strebt wohl nach dem Entgegengesetzten und bringt hieraus und nicht aus dem Gleichen den Einklang hervor, wie sie z.B. das männliche mit dem weiblichen Geschlechte paarte und nicht etwa beide mit dem gleichen, und die erste Eintracht durch Vereinigung des Gegensätzlichen, nicht des Gleichartigen herstellte. Auch die Kunst bringt dies, offenbar durch Nachahmung der Natur, zustande. Die Malerei mischt auf dem Bilde die Bestandteile der weißen und schwarzen, der gelben und roten Farbe und bewirkt dadurch die Ähnlichkeit mit dem Original; die Musik mischt hohe und tiefe, lange und kurze Töne in verschiedenen Stimmen und bringt dadurch eine einheitliche Harmonie zustande; die Schreikunst mischt Vokale und Konsonanten und stellt daraus die ganze Kunst zusammen. Verbindungen sind: Ganzes und Nichtganzes, Eintracht, Zwietracht, Einklang, Missklang und aus allem eins und aus einem alles.


23. Gäb' es jenes nicht, so kennten sie der Dike Namen nicht.


50. Habt ihr nicht mich, sondern mein Wort [Gesetz] vernommen, ist es weise zuzugestehen, dass alles eins ist.


51. Sie verstehen nicht, wie es [das Eine] auseinanderstrebend ineinander geht: gegenstrebige Vereinigung wie beim Bogen und der Leier.


60. Der Weg auf und ab ist ein und derselbe.


88. Und es ist immer ein und dasselbe was in uns wohnt: Lebendes und Totes und das Wache und das Schlafende und Jung und Alt. Wenn es umschlägt, ist dieses jenes und jenes wiederum, wenn es umschlägt, dieses.


49a. In dieselben Fluten steigen wir und steigen wir nicht: wir sind es und sind es nicht.

 

91. Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen.

 

53. Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen macht er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien.


67. Gott ist Tag Nacht, Winter Sommer, Krieg Frieden, Überfluss und Hunger. Er wandelt sich aber wie das Feuer, das, wenn es mit Räucherwerk vermengt wird, nach dem Duft, den ein jegliches [ausströmt,] benannt wird.


111. Krankheit macht die Gesundheit angenehm, Übel das Gute, Hunger den Überfluss, Mühe die Ruhe.

 

126. Das Kalte wird warm, Warmes kalt, Nasses trocken, Dürres feucht.




Über den Wandel


91. Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen [nach Heraklit und nicht zweimal eine ihrer Beschaffenheit nach identische vergängliche Substanz berühren, sondern durch das Ungestüm und die Schnelligkeit ihrer Umwandlung] zerstreut und sammelt sie wiederum und naht sich und entfernt sich.




Über das (kosmische) Feuer


31. Feuers Wandlungen: erstens Meer, die Hälfte davon Erde, die andere Glutwind. [Das bedeutet, daß das Feuer durch das das Weltall regierende] Wort [oder Gott durch die Luft hindurch in Wasser verwandelt wird als den Keim der Weltbildung, den er] Meer [nennt. Daraus entsteht wiederum Erde, Himmel und das dazwischen Liegende. Wie dann die Welt wieder ins Ursein zurückkehrt und der Weltbrand entsteht, spricht er klar im Folgenden aus:] Es [das Feuer] zerfließt als Meer und erhält sein Maß nach demselben Wort [Gesetz] wie es galt, ehe denn es Erde ward.


30. Diese Weltordnung, dieselbige für alle Wesen, hat kein Gott und kein Mensch geschaffen, sondern sie war immerdar und ist und wird sein ewig lebendiges Feuer, nach Maßen erglimmend und nach Maßen erlöschend.


64. Das Weltall aber steuert der Blitz [d.h. er lenkt es. Unter Blitz versteht er nämlich das ewige Feuer. Er sagt auch, dieses Feuer sei vernunftbegabt und Ursache der ganzen Weltregierung.



Über Gott/Götter/Religion


14. [Wem prophezeit Heraklit?] Den Nachtschwärmern, Magiern, Bakchen, Mänaden und Eingeweihten. [Diesen droht er mit der Strafe nach dem Tode, diesen prophezeit er das Feuer.] Denn in unheiliger Weise findet die Einführung in die Weihen statt wie sie bei den Leuten im Schwange sind.


15. Denn wenn es nicht Dionysos wäre, dem sie die Prozession veranstalten und das Phalloslied singen, so wär's ein ganz schändliches Tun. Ist doch Hades eins mit Dionysos, dem sie da toben und Fastnacht feiern!


63. [Er spricht auch von einer Auferstehung des Fleisches, des irdischen, sichtbaren, in dem wir geboren sind, und weiß, dass Gott diese Auferstehung bewirkt. Sein Ausspruch lautet:] Vor ihm aber, der dort ist, erhöben sie sich und wach würden Wächter der Lebendigen und der Toten. [Er sagt aber auch, es finde ein Gericht der Welt und alles dessen, was drinnen ist, durch Feuer statt]



Über die Seele


12. Wer in dieselben Finten hinabsteigt, dem strömt stets anderes

Wasser zu. Auch die Seelen dünsten aus dem Feuchten hervor.


36. Für die Seelen ist es Tod zu Wasser zu werden, für das Wasser Tod zur Erde zu werden. Aus der Erde wird Wasser, aus Wasser Seele.


45. Der Seele Grenzen kannst du nicht ausfinden, und ob du jegliche Straße abschrittest; so tiefen Grund hat sie.


67a. Wie die Spinne, die in der Mitte ihres Netzes sitzt, merkt, sobald eine Fliege irgendeinen Faden ihres Netzes zerstört, und darum schnell dahin eilt, als ob sie um die Herstellung [?] des Fadens sich härmte, so wandert des Menschen Seele bei der Verletzung irgend eines Körperteils rasch dahin, als ob sie über die Verletzung des Körpers, mit dem sie fest und nach einem bestimmten Verhältnis verbunden ist, ungehalten sei.


68. Heilmittel [nannte er die auf die Seele wirkenden Sühnmittel.]


77. Für die Seelen ist es Lust oder Tod nass zu werden. [Die Lust bestehe aber in ihrem Eintritt in das Leben. Anderswo aber sagt er:] Wir leben jener, [der Seelen,] Tod und jene leben unsern Tod.


98. Die Seelen riechen im Hades.


115. Der Seele ist das Wort [Weltvernunft] eigen, das sich selbst mehrt.


117. Hat sich ein Mann betrunken, wird er von einem unerwachsenen Knaben geführt. Er taumelt und merkt nicht, wohin er geht; denn seine Seele ist feucht.


118. Trockner Glast: weiseste und beste Seele.



Weitere Fragmente


3. [Die Sonne hat] die Breite des menschlichen Fußes.


6. [Die Sonne ist] neu an jedem Tag.


7. Würden alle Dinge zu Rauch, würde man sie mit der Nase unterscheiden.


9. Esel würden Häckerling dem Golde vorziehen.


11. Alles, was da kreucht, wird mit [Gottes] Geißel zur Weide getrieben.


13. Am Dreck sich ergetzen.

 

16. Wie kann einer verborgen bleiben vor dem, was nimmer untergeht!


18. Wenn er's nicht erhofft, wird er das Unverhoffte nicht finden. Denn sonst ist's unerforschlich und unzugänglich.

 

21. Tod ist alles, was wir im Wachen sehen, und Schlaf, was im Schlummer.


22. Denn die Goldgräber schaufeln viel Erde und finden wenig.

 

26. Der Mensch zündet sich in der Nacht ein Licht an, wann er gestorben ist und doch lebt. Er berührt den Toten im Schlummer, wann sein Augenlicht erloschen; im Wachen berührt er den schlummernden.


32. Eins, das allein Weise, will nicht und will doch auch wieder mit Zeus' Namen benannt werden.


37. Säue baden sich in Kot, Geflügel in Staub oder Asche.


46. [Eigendünkel nannte er] eine fallende Sucht [und trügerisch das Auge.]

 

48. Des Bogens Name ist also Leben, sein Werk Tod.


52. Die Zeit ist ein Knabe, der spielt, hin und her die Brettsteine setzt: Knabenregiment!


54. Verborgene Vereinigung besser als offene.

 

58. Und Gut und Schlecht [ist eins.] Fordern doch die Ärzte, wenn sie [die Kranken] auf jede Art schneiden, brennen [und schlimm quälen,] noch Lohn dazu [von den Kranken,] während sie doch durchaus nicht verdienten, solchen zu erhalten, da sie ja nur dasselbe bewirken, [d.h. durch ihre Guttaten die Krankheiten nur aufheben.]


59. Der Walkerschraube Weg, grad und krumm, ist ein und derselbe.


62. Unsterbliche sterblich, Sterbliche unsterblich: sie leben gegenseitig ihren Tod und sterben ihr Leben.

 

65. [Es aber] Mangel und Überfluss. [Mangel ist nach ihm die Weltbildung]


66. [Dagegen der Weltbrand Überfluss.] Denn alles, [sagt er,] wird das Feuer, das heranrücken wird, richten und verdammen.


69. [Bei den Opfern sind zwei Arten zu unterscheiden. Die einen werden dargebracht von innerlich vollständig gereinigten Menschen, wie das hier und da bei einem Einzelnen vorkommen mag, wie Heraklit sagt, oder bei einigen wenigen, leicht zu zählenden Männern. Die anderen aber sind materiell].


70. Kinderspiele [nannte er die menschlichen Gedanken.]


71. [Man soll sich auch an den Mann erinnern,] der vergisst, wohin der Weg führt.


72. Mit dem Worte, mit dem sie doch am meisten beständig zu verkehren haben, [dem Lenker des Alls,] entzweien sie sich, und die Dinge, auf die sie täglich stoßen, scheinen ihnen fremd.


73. Man soll nicht handeln und reden wie Schlafende. [Denn auch im Schlaf glauben wir zu handeln und zu reden.]


74. [Man soll es ferner nicht tun] als Kinder der Erzeuger, [d.h. schlicht ausgedrückt ›wie wir es überkommen haben‹.]

 

75. [Die Schlafenden nennt, glaub' ich, Heraklit] Arbeiter und Mitwirker an den Weltereignissen.


76. Feuer lebt der Erde Tod und Luft des Feuers Tod; Wasser lebt der Luft Tod und Erde den des Wassers.


80. Man soll aber wissen, dass der Krieg das Gemeinsame ist und das Recht der Streit, und dass alles durch Streit und Notwendigkeit zum Leben kommt.


81. [Die rednerische Unterweisung zielt mit all ihren Lehrsätzen auf diesen Punkt und nach Heraklit ist sie] Führer zur Abschlachtung.


82. [Der schönste Affe ist hässlich mit dem Menschengeschlechte verglichen.]


83. [Der weiseste Mensch wird gegen Gott gehalten wie ein Affe erscheinen in Weisheit, Schönheit und allem andern.]


84. Sich wandelnd ruht es aus [das ätherische Feuer im menschlichen Körper] [und] Es ist ermattend, denselben [Herren] zu frohnen und dienen.


85. Mit dem Herzen zu kämpfen ist hart. Denn jeden seiner Wünsche erkauft man um seine Seele.

 

87. Ein hohler Mensch pflegt bei jedem Wort erschreckt dazustehen.


89. Die Wachenden haben eine gemeinsame Welt, [doch im Schlummer wendet sich jeder von dieser ab an seine eigene.]


90. Umsatz findet wechselweise statt des Alls gegen das Feuer und des Feuers gegen das All, wie des Goldes gegen Waren und der Waren gegen Gold.

 

92. Die Sibylle, die mit rasendem Munde Ungelachtes und Ungeschminktes und Ungesalbtes redet, [reicht mit ihrer Stimme durch tausend Jahre.] Denn der Gott treibt sie.


93. Der Herr, der das Orakel in Delphi besitzt, sagt nichts und birgt nichts, sondern er deutet an.


94. Denn die Sonne wird ihre Maße nicht überschreiten; ansonst werden sie die Erinyen, der Dike Schergen, ausfindig machen.

 

95. Denn seinen Unverstand bergen ist besser: [nur ist's schwer in der Ausgelassenheit und beim Wein.]


96. Denn Leichname sollte man eher wegwerfen als Mist.


97. Denn Hunde bellen die an, die sie nicht kennen.


99. Gäb' es keine Sonne, trotz der übrigen Gestirne wär' es Nacht.


100. [Die Sonne als Wächterin des Jahreslaufs bringt die Veränderungen zum Vorschein und] die Horen, die alles bringen.


101. Ich habe mich selbst gesucht.


101a. Augen sind genauere Zeugen als die Ohren.

 

102. Bei Gott ist alles schön und gut und gerecht; die Menschen aber halten einiges für gerecht, anderes für ungerecht.


103. Denn beim Kreisumfang ist Anfang und Ende gemeinsam.


105. Homer [sei ein] Astrologe [gewesen, schließt Heraklit aus dieser Stelle [Ilias 18, 251] ›Auch wurden in einer Nacht sie geboren‹ und aus [6,478] ›Nie so mein ich, entrann von den Sterblichen einer dem Schicksal‹.]


106. Ein Tag ist wie der andere.


108. Keiner von allen, deren Worte ich vernommen, gelangt dazu zu erkennen, dass die Weisheit etwas von allem Abgesondertes ist.


109. Seinen Unverstand zu bergen ist besser [als ihn zur Schau zu stellen.]


110. Für die Menschen wäre es nicht besser, wenn ihnen alle ihre

Wünsche erfüllt würden.

 

112. Das Denken ist der größte Vorzug, und die Weisheit besteht darin, die Wahrheit zu sagen und nach der Natur zu handeln, auf sie hinhörend.

 

114. Wenn man mit Verstand reden will, muss man sich wappnen mit diesem allen Gemeinsamen wie eine Stadt mit dem Gesetz und noch stärker. Nähren sich doch alle menschlichen Gesetze aus dem einen göttlichen. Denn es gebietet, soweit es nur will, und genügt allem und siegt ob allem.


119. Dem Menschen ist seine Eigenart sein Dämon.

 

120. Die Grenzen von Morgen und Abend sind der Bär und gegenüber dem Bären der Berg [?] des strahlenden Zeus.


121. Recht täten die Ephesier, wenn sie sich alle Mann für Mann aufhängten und den Unmündigen ihre Stadt hinterließen, sie, die Hermodoros, ihren wackersten Mann, aus der Stadt gejagt haben mit den Worten: Von uns soll keiner der wackerste sein oder, wenn schon, dann anderswo und bei andern.


122. Annäherung.


124. Die schönste Weltordnung ist wie ein aufs Geratewohl hingeschütteter Kehrichthaufen.


125. Auch der Gerstentrank zersetzt sich, wenn man ihn nicht umrührt.


125a. Möge es euch nie an Reichtum fehlen, Ephesier, damit eure Verlotterung an den Tag kommen kann.


Quelle: Hermann Diels: Die Fragmente der Vorsokratiker.

 

 

 

 

Quellen


Diels, Hermann: Die Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und deutsch. Erster Band, dritte Auflage. Weidmannsche Buchhandlung. Berlin 1912 (als Forgotten Books Classic Reprint Series 2018)


Capelle, Wilhelm (Übers.): Die Vorsokratiker, Die Fragmente und Quellenberichte. Neunte Auflage. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2008. .


Diogenes Laertius: Leben und Meinungen berühmter Philosophen, 9. Buch, übersetzt von Otto Apelt. Verlag Felix Meiner, Leipzig 1921.


Nesselrath, Heinz-Günther (Hrsg.): Herodot Historien. Fünfte Auflage. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 2017.


Sappho: Und ich schlafe allein. Gedichte, übersetzt von Alber von Schirnding. Verlag C. H. Beck, München 2013.


Snell, Bruno (Hrsg.): Heraklit Fragmente, griechisch und deutsch. Zwölfte Auflage. Patmos Verlag, Düsseldorf und Zürich 2000.



Bücher zu Heraklit


Fantino, Enrica, Ulrike Muss, Charlotte Schubert und Kurt Sier (Hrsg.): Heraklit im Kontext; Reihe Studia Praesocratica Bd. 8. Verlag de Gruyter, Berlin/New York 2017.


Held, Klaus: Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänomenologische Besinnung. Verlag de Gryter, Berlin/New York 1980.


Pleger, Wolfgang: Der Logos der Dinge. Eine Studie zu Heraklit; Europäische Hochschulschriften, Reihe 20, Band 226. Verlag Lang, Frankfurt/M. 1987.


Heidegger, Martin; Manfred Frings (Hrsg.): Heraklit. Gesamtausgabe; Der Anfang des abendländischen Denkens (Sommersemester 1943), Heraklits Lehre vom Logos (Sommersemester 1944). Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt/M. 1994.


Weimper, Norbert: Heraklit von Ephesos - Das Sterben der Götter. J.S. Klotz Verlagshaus, Neulingen 2023.



Bücher zur griechischen Antike


Bringmann, Klaus: Im Schatten der Paläste, Geschichte des frühen Griechenlands. Verlag C.H. Beck, München 2016.


Gehrke, Hans-Joachim und Helmuth Schneider: Geschichte der Antike. Ein Studienbuch. Verlag J.B. Metzler, Berlin 2019.


Rösel, Dieter: Griechenland – Die archaische Zeit. BuchWerkstatt, Berlin 2013.


Rubel, Alexander: Die Griechen. Marixverlag, Wiesbaden 2012.


Schmidt-Hofner, Sebastian: Das klassische Griechenland. Verlag C.H. Beck, München 2016.


Schwab, Gustav: Sagen des klassischen Altertums. Karl Müller Verlag, Erlangen 1983.


Stein-Hölkeskamp, Elke: Das archaische Griechenland. Verlag C.H. Beck, München 2015.


Walser, Andreas Victor: Bauern und Zinsnehmer. Vestigia Beiträge zur alten Geschichte Bd. 59. Verlag C.H Beck, München 2008.


Ziegler, Konrat und Walter Sonntheimer (Hrsg.): Der Kleine Pauly, Lexikon der Antike. 5 Bände. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1979.


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