„Wisst ihr, was man über den Ursprung des Artemisions erzählt? Natürlich könnt ihr das nicht wissen.“ Philetas hatte das als Scherz gemeint und erklärte: „Das Heiligtum der Artemis Ephesia, unserer Göttin des Waldes, der wilden Tiere und der Jagd, soll an einer Quelle direkt am Meeresstrand gegründet worden sein – von einer Amazonenkönigin namens Otrere!“
Quelle: Heraklit von Ephesos, Seite 225
Hier geht es um den Gründungsmythos des Tempels der griechischen Göttin Artemis in Ephesos, genannt Artemision. Als größter Tempelbau aller Zeiten (sein Unterbau maß 112 mal 57 Meter) zählte er zu den Sieben Weltwundern der Antike. Umso überraschender, dass die traditionsbewussten alten Griechen nicht auf die Urheberschaft dieses Mega-Tempels bestanden. Stattdessen berichten uralte Mythen davon, dass er von einer gewissen Otrere gegründet wurde – einer stolzen Königin der legendären Amazonen! Immerhin, so heißt es in der griechischen Mythologie, sei diese Amazonen-Königin die Geliebte des Gottes Ares gewesen. Ares? Der gehört zu den zwölf olympischen Obergöttern der Griechen und ist als Kriegsgott auch zuständig für Massaker und Blutbäder.
Entdeckt hat den antiken Tempel ein englischer Eisenbahningenieur im 19. Jahrhundert. Bei zahlreichen Grabungen bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde immer klarer, dass es sich hier nicht um nur einen Tempel handelte, sondern um ein Großheiligtum, in dem man spätestens vom 11. vorchristlichen Jahrhundert an reihenweise Tempel errichtete. In Heraklits Lebenszeit fällt der Bau des sogenannten Tempels „D“, mit dem 550 v. Chr. begonnen wurde. Geld dazu gaben Gönner aus nah und fern, darunter auch der legendäre Lyderkönig Kroisos, der bei uns noch als Krösus bekannt ist; als Sinnbild für Menschen, die ihren Reichtum eher plump zur Schau stellen.
Über 100 Jahre soll der Bau des Artemistempels gedauert haben. Das gilt als ungewöhnlich lang für antike Verhältnisse, ist aber, gemessen beispielsweise an der Bauzeit des Kölner Doms, relativ kurz.
Besonders bemerkenswert:
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